andere, egal wie laut sie auftritt. Jede Anspruchsgruppe vertritt ein legitimes Interesse. Vom Status quo zur Quartiersspionage Eine große und engagierte Anspruchsgruppe sind die Einwohnerinnen und Einwohner. Partizipationsprozesse aus anderen Städten zeigen allerdings, dass viele Anwoh- ner/-innen ihre Ansprüche am Status quo orientieren und oftmals Mühe haben, die Chancen von Veränderungen zu erkennen. Wenn in Quartieren über die Zukunft debat- tiert wird, wäre es deshalb interessant, nicht nur betroffe- ne Quartiersbewohner einzuladen, sondern auch jene aus anderen Stadtteilen, Erwerbstätige oder Menschen aus der Region, die sich einen Zuzug nach Bregenz vorstellen kön- nen. Damit werden nicht nur die Stimmen der heutigen, sondern auch die von potenziellen zukünftigen Bregenze- rinnen und Bregenzern hörbar: Was macht ein Quartier interessant? Wo gibt es Potenzial für Neues? Eine wenig gehörte Gruppe sind auch Jugendliche und Kinder, deren Bedürfnisse anders eingeholt werden müssen als mit öffentlichen Veranstaltungen „für die interessierte Bevölkerung“. Für Kinder eignen sich „Quar- tiersspionagen“ zur Erkundung ihres Lebensumfeldes. Jugendliche können sich an Konzeptmodellen üben, die einen spielerischen Umgang mit dem zukünftigen Raum ermöglichen. Auch Fremdsprachige bleiben oftmals un- gehört. Bei dieser Anspruchsgruppe lohnt sich die Zusam- menarbeit mit vermittelnden Vereinen. „Macher“ einbeziehen Neben engagierten Einwohnerinnen und Einwohnern, die sich für die Stadt als ihren Lebensraum interessieren, gibt es die Gruppe der „Macher“, die das Stadtleben aktiv mitgestaltet. Dazu zählen Grundeigentümer/-innen, die in Bauprojekte investieren, große Unternehmen, die Haupt- sitze eröffnen, kleine Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Wohnquartier bringen, Gewerbetreibende, die Vertrieb und Produktion in der Stadt aufrechthalten, der Detail- handel, der für ein breites Einkaufsangebot sorgt, Gastro- nomen und Gastronominnen sowie Kulturverbände, die das Freizeitangebot gestalten. Nicht zu vergessen jene Sport- und Quartiervereine, die Begegnungsorte schaffen. Was Stadt soll, was Stadt kann Diese Macher haben als Gegenleistung für ihren Beitrag zur Stadtinfrastruktur auch Erwartungen an die Stadt, damit sie sich entfalten können. Ihre Interessen können nicht in der gleichen Veranstaltung abgeholt werden wie jene von Einwohnerinnen und Einwohnern. Passendere Methoden sind Workshops oder auch Befragungen. Die Bedürfnisse, die sich daraus an die Stadt ergeben, können dann in die öffentlichen Veranstaltungen mit Bürgerin- nen und Bürgern getragen werden. So steigt das gegenseitige Verständnis, das es für eine Stadtentwicklung braucht. Denn die Fragestellung, was Stadt sein soll und was sie ausmacht, wird erst dann rich- tig interessant, wenn sie nicht nur als Aufsummierung al- ler möglichen Wünsche und Bedürfnisse verstanden wird, sondern als Diskussion unter verschiedenen Anspruchs- gruppen, die unterschiedliche Interessen haben. Alle Karten auf den Tisch Damit ein solcher Prozess gelingt, muss alles transparent werden: Jenen, die an Beteiligungsprozessen teilnehmen, dürfen keine falschen Versprechungen gemacht werden, zu welchen Fragen sie mitreden können. Wer mitmacht, muss wiederum für sich einordnen, auf welcher Flughöhe eine Diskussion stattfindet, und auch verstehen, dass Parti- kularinteressen an anderen Orten besser aufgehoben sind. Der Erfolg von Partizipation misst sich schließlich nicht daran, wie viele Personen teilnehmen, sondern daran, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende – auch wenn sie nicht allem zustimmen – die allgemeine Stoß- richtung trotzdem mittragen, weil sie zur Überzeugung gelangt sind, dass sie wichtig für die Stadtentwicklung und für die Zukunft ihrer Stadt sind. Der Vorteil einer Stadt wie Bregenz gegenüber den kleineren Gemein- den im Umland ist, dass hier viele unterschied- liche Dinge nebeneinan- der Platz haben. Auch Dinge, die sich manch- mal widersprechen. Die Schweizer Soziologin und Planerin Dr. Joëlle Zimmerli ist Expertin für Raum und Gesellschaft in der Stadt- und Regionalentwicklung. Die Do- zentin der Technischen Universität Berlin befasst sich mit Nachhaltigkeit und Raumstrategien, mit der Akzeptanz von Dichte und untersucht die An- forderungen und Ansprüche unterschiedlicher Nutzer/-innen an Entwick- lungen. Sie ist technische Leiterin und Prüferin für den Standard Nachhal- tiges Bauen Schweiz im Auftrag der Société Générale de Surveillance. B wie … 7