Psychische Gesundheit in der Pandemie Wie sag ich’s? Das Coronavirus beschäftigt derzeit jede und jeden von uns. Während Erwachsene die aktuelle Situation jedoch relativieren und in Perspektive setzen können, ist das bei Kindern nicht der Fall. Sie bemerken nur die Auswirkungen der Pandemie: Ihr Alltag ge- staltet sich plötzlich völlig anders, ihre Eltern – sonst Fels in der Brandung – sind manch- mal vielleicht selbst unruhig und unsicher. Vielen Kindern macht das Angst. Wie gehen Eltern damit um und wie erklären sie die ak- tuelle Situation richtig? Schwer zu verstehen Für Kinder ist es nur schwer einzusehen – und manchmal auch schwer zu ertragen –, dass man plötzlich die Groß- eltern nicht mehr besuchen oder die eigenen Freundinnen und Freunde in der Schule nicht mehr sehen darf. Es ist daher wichtig zu erklären, warum das in der aktuellen Si- tuation nicht mehr möglich ist. Das Kind muss verstehen, dass es für es selbst, seine Familie, seine Freundinnen und Freunde und auch alle anderen besser ist. Telefonate und Videochat können für eine begrenzte Zeit darüber hinweg- helfen, wenn auch nur begrenzt. Ablenkung ist hier das beste Mittel. Text: Christine Fesenmayr Die täglichen Nachrichten zu den aktuellen Corona-Fall- zahlen sollten für Kinder bis zum Schulalter tabu sein. Kinder benötigen Informationen, die ihrem Alter, ihrem individuellen Entwicklungsstand und ihren aktuell ver- fügbaren psychischen Ressourcen entsprechend angepasst sind. Bei jüngeren Kinder reichen zum Beispiel oft nur einige beruhigende, aber offene Worte. Vorschulkindern kann man die Situation gut mit Hilfe von Erklärungsvi- deos verständlich machen, so wie das etwa die Stadt Wien vormacht. Schulkindern können schon mehr Details und größere Informationsdichten zugemutet werden, zum Beispiel indem man mit ihnen über die Bedeutung des Infektionsrisikos spricht. Die Sache mit der „Kwarantäne“ Was ist denn dieses Virus, was bedeutet dieses seltsame Wort „Quarantäne“ und warum ist die Aufregung so groß, wenn der beste Freund „positiv“ ist? Am besten findet man im Gespräch heraus, was das Kind bereits über die aktuel- le Situation weiß – aber auch, was es selbst wissen möchte. Beim gezielten Nachfragen erfahren Eltern, welche Sorgen das Kind wirklich beschäftigten. So entgeht man auch dem Risiko, Dinge zu thematisieren oder Fragen zu be- antworten, die das Kind gar nicht stellt oder die das Kind überfordern würden. Besondere Rücksicht und Fürsorge brauchen Kinder mit psychischen Vorerkrankungen. Sind Zwangserkrankungen, Angststörungen oder Traumatisie- rungen bekannt, dann sind Kinder verständlicherweise sensibler für beunruhigende Informationen. Das gilt auch für Kinder mit Lernbehinderungen. Hier sollten die Eltern entsprechend noch genauer beobachten, wie ihr Kind auf die Informationen reagiert. Die Aufgabe von Eltern ist vor allem, dem Kind Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln. Gemeinsame Zeit Die neu gewonnene Zeit zuhause ist eine Chance, gemein- sam zu spielen, zu kochen oder zu backen, gerade in der Vorweihnachtszeit. Es ist auch wichtig, sich daran zu erin- nern, dass aus der altersgerechten Frustration des Kindes Kreativität entstehen kann. Gemeinsam basteln, malen und lesen ist hier das Richtige. Man kann auch lange Auf- geschobenes endlich erledigen: ob Zimmer aufräumen, den Keller ausmisten oder das Rad auf Vordermann brin- gen – gemeinsam macht das am meisten Spaß. Ein Recht auf Langeweile und Zeit allein Dass Kinder trotzdem von Zeit zu Zeit nörgeln oder quen- gelig sind, ist vollkommen normal. Kinder haben nach Ansicht von Fachleuten sogar ein Recht darauf, sich zu langweilen. Eltern müssen das leider aushalten können. Daher ist es besonders wichtig, ihnen genügend kreatives Material wie Bausteine, Zeichenpapier, Stifte, Kartons oder Stoffreste zur Verfügung zu stellen, womit sie sich be- schäftigen können – auch ohne die Eltern. Für andere da sein Wir alle sind aktuell besonders herausgefordert, unser inneres Wertesystem zu überprüfen: Welchen Stellenwert haben Vertrauen, Zusammenhalt, Vernunft, Solidari- tät und gegenseitiges Verständnis? Wenn es uns auch in dieser schwierigen Zeit gelingt, vernünftig, besonnen, mitfühlend und solidarisch zu handeln, dann hilft das allen. Dabei sollte man nie vergessen, dass sich unsere Kinder an unserem Vorbild orientieren. Wenn man ihnen verständlich macht, dass jetzt jede/jeder von uns ge- braucht werden, gibt ihnen das auch ein gewisses Gefühl der eigenen Ermächtigung und Stärke. Sie erleben, dass sie gebraucht werden, und wachsen über sich hinaus. Er- wachsene übrigens auch. 24