"Kunsthäuschen" von Franco Vaccari

Kunsthäuschen, 1998
Franco Vaccari
*1936 (Modena, IT)
Lichtinstallation, 20 x 100 cm
Im Magazin4, Stiegenaufgang
(zu den Öffnungszeiten)

Die Arbeit entstand im Zuge des Sommer-Projekts „Kunst in der Stadt“ des Bregenzer Kunstvereins, bei dem nicht nur Museen und Galerien, sondern auch der öffentliche Raum bespielt wurden. Der Fotograf und Konzeptkünstler Franco Vaccari nahm mit einer Installation teil: Direkt neben dem hochmodernen Kunsthaus (KUB) platzierte er als Kontrast ein kleines, aus alten Holztüren gebautes Häuschen und zierte dessen Fassade mit dem aus Leuchtstoffröhren produzierten Schriftzug „Kunsthäuschen“, der heute im Magazin 4 zu sehen ist. 

In diesem Kunsthäuschen fand dann auch eine von Judith Reichart kuratierte Ausstellung statt, bei denen Gerhard Klocker, Peter Herbert und Ernst Trawöger fotografische und musikalische Arbeiten zeigten. Bei der Ausstellungseröffnung erklärte sich Franco Vaccari zum „kleinen“ Direktor des Kunsthäuschens, während KUB-Gründungsdirektor Edelbert Köb als „großer“ Direktor hinzukam.  In der Gegenüberstellung dieser zwei unterschiedlichen Kunststätten manifestierte Vaccari seine humorvoll-kritische Auffassung des Kunstbegriffs und der Beziehung zwischen Künstler und Publikum. Vaccari ging es bei seinen Arbeiten immer um die Interaktion mit dem Betrachter und dessen Anteil am kreativen Prozess mit bestenfalls unvorhersehbarem Ausgang. Vaccari zitierte dazu einmal seinen Künstlerkollegen Gino De Dominicis, der sagte, das Publikum sei der Kunst ausgesetzt, nicht die Kunst dem Publikum („in realtà è il pubblico a esporsi all’opera, non l’opera al pubblico“).

Seinem Kunsthäuschen hat Franco Vaccari im Katalog der Ausstellung („Audio Art, Kunst in der Stadt -2-) einen Textausschnitt aus Claude Lévi-Strauss Buch „Traurige Tropen“ zur Seite gestellt, der die Aussage des Kunsthäuschens verbal unterstreicht:

„Auf der Insel Martinique hatte ich rustikale und vernachlässigte Rumkellereien besichtigt, in denen noch die Apparate und Methoden des 18. Jahrhunderts verwendet wurden. In Puerto Rico dagegen bot sich mir in den Fabriken der Gesellschaft, welche die gesamte Zuckerrohrproduktion monopolisiert hatte, das Schauspiel von Behältern aus weißem Email und chromblitzenden Hähnen. Und dennoch schmeckte der Rum auf Martinique, neben den alten hölzernen Bottichen, die von geronnenen Abfällen klebten, fruchtig und duftend, während der von Puerto Rico gewöhnlich und grob war. Ist also die Qualität des ersteren ein Ergebnis der Unsauberkeit, die eine archaische Herstellungsweise begünstigt? Dieser Gegensatz veranschaulicht meiner Meinung nach das Paradox der Zivilisation, deren Reize wesentlich in den Rückständen besteht, die sie mit sich schwemmt, ohne daß wir uns deshalb versagen können, sie zu beseitigen. In dem wir also doppelt Recht haben, gestehen wir unser Unrecht ein. Denn wir haben recht, wenn wir rationell sein, die Produktion erhöhen und die Herstellungskosten senken wollen. Aber wir haben auch recht, unser Herz an jene Unvollkommenheiten zu hängen, die auszumerzen wir uns bemühen.“ (Claude Lévi-Strauss in „Traurige Tropen“)

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